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DIE KRÖNUNG II – EIN "UMWEG", DER SICH LOHNT

9/11/2015

2 Kommentare

 
Gleich auf den ersten Kilometern im Tal des Panj lernen wir die Gastfreundschaft der Pamiri (so nennen sich die Menschen, die hier in der autonomen Region Badakhshan leben und der muslimischen Glaubengemeinschaft der Ismailiten (spiritueller Führer: AgaKhan) angehören) kennen. Am Strassenrand “hütet” ein Mädchen im Vorschulalter einen Eimer mit frischen Feigen. Da können wir beide nicht widerstehen und lassen uns zwei Hände voll einpacken. Mmmh! So süss, so saftig... Anschliessend werden wir von Mama Tajik zu Čoj (Tee) eingeladen. Was hier immer gleich auch heisst etwas Brot, vielleicht frischen Joghurt, Tomaten-Zwiebel-Salat oder, wie in diesem Fall, einen Teller gehäuft voll mit Plov (trad. Reisgericht, welches mit Gemüse und Schaffleisch angerichtet wird). So verweilen wir eine ganze Weile hier, geniesssen die friedliche Stimmung und schauen dem vergnügten Treiben der Mädchen mit der improvisierten Schaukel zu.
Die weitere Fahrt – meint die nächsten Tage und bis kurz vor Khorog - führt uns über unbefestigte Strassen. Wir haben uns darauf eingestellt und kommen eigentlich ganz gut damit zurecht. Einzig jene Abschnitte, welche richtiggehend zu Waschbrettern geworden sind, zehren an unseren Nerven... Kräftig! Glücklicherweise sind wir mit dem Fahrrad unterwegs und können uns so unseren Weg durch all die Schlaglöcher und herausragenden Steine suchen. Ich bin beeindruckt von all den anderen Fahrzeugen, resp. deren Fahrern. Geschickt manövrieren LKW-Fahrer ihre Gefährte mit Anhänger um die engen Kurven, über die schmalen Strassen, zentimetergenau vorbei an den hervorstehenden Felskuppen. Sie erinnern mich allesamt an den beherzten Fahrer Illias aus einem der Romane des kirgisischen Autors Tschingis Aitmatow... Tajikische Fahrer haben oft geschlossene Auflieger, von welchen ich die Fracht nicht erraten kann, chinesische Trucks bringen in ganzen Konvois Teile, so wie wir vermuten, von einer Brücke. Einige Tage später wird uns ein junger Tajike resigniert mitteilen: “ja, wisst ihr, hier ist alles chinesisch...” Ob dies wohl Auswirkungen der modernen Seidenstrasse sind?

Der Panj begleitet uns treu und wir folgen ihm – immer flussaufwärts. Finden enge Schluchten, steile Ufer, welchen in mühsamer Handarbeit “Pflanzblätze” abgewonnen wurden, weite Talgründe welche rege landwirtschaftlich genutzt werden können und Sandbänke, die zum Verweilen einladen... Auf einem solchen verbringen wir, nachdem wir dem regelrechten Sandsturm entfliehen konnten, einen zufriedenen Abend mit Guillaume und Martina, die wir hier erneut treffen. Die Sandkörner knirschen wunderbar zwischen den Zähnen in der Tomatensauce...

Anderntags, kurz vor dem Mittag, er-fahren wir unseren 8002. Kilometer... Man könnte auch sagen, es sei bereits der 24006.. Jedes von uns hat die 8002 km ja für sich erlebt, seine eigenen Eindrücke gewonnen (ergibt bereits 16004) und dann sind zusätzlich unsere gemeinsamen 8002... Dieser Gedanke gefällt mir und scheint irgendwie Platz zu schaffen/bieten für all die Erlebnisse und Erfahrungen, die wir bis hierhin - in diese staubige Kurve irgendwo aufmitten des Pamirhighways - machen durften. Und – wie zur Feier – wartet nur ein Aufstieg später eine weitere Einladung auf uns. Guillaume und Martina sitzen auch bereits in der Runde der aufgestellten Bauarbeiter. Zur Stärkung wird uns Buchweizen und ein frischer Gemüsesalat aufgetischt. Wir Frauen bekommen zudem von der Herrin des Hauses (in Bau) eine Kette mit getrockneten Aprikosen und Aprikosenkernen (die werden hier gegessen und sie schmecken leeecker!) geschenkt. Irgendwie passt mal wieder alles zusammen... Saugen auf und geniessen.

Vor Roshan weitet sich das Tal abermals und aus dem reissenden Fluss wird für eine Weile ein ruhiger See, in welchem sich die umliegenden Bergkolosse spiegeln – Jungen baden ausgelassen und Männer “bädelen” geduldig Würmer. Das Leben hier in den Dörfern scheint einfach und anspruchsvoll zu sein. Vieleviele Arbeiten werden nachwievor von Hand verrichtet. Fast jede Familie hat ein, zwei Stück Veh, welches jeweils mit einem Pflock am Strassenrand oder auf dem geernteten Feld zum Grasen angebunden wird. Und es herrscht eine besondere Stimmung. Die Herbstsonne taucht das Tal in ein goldenes Licht, an den Bäumen prangen rotwangige Äpfel und auf den Feldern stehen in aufwändiger Arbeit gebundene aneinander gelehnte Getreidegarben.

Der Pamirhighway scheint momentan ein “Muss” für Tourenradfahrer zu sein. Täglich begegnen wir mehreren Radfahrern und oftmals ergibt sich ein kurzer Austausch über Strecke, empfehlenswerte Unterkünfte, Trinkwasser und Reiseerfahrungen. Wir staunen jedoch nicht schlecht, als uns eines Tages der Schweizer Cyclonaute und Weltumradler entgegenfährt! Vielen Dank für den interessanten Austausch und gemütlichen Schwatz!

Gleichentags erreichen wir zum Einbruch der Nacht Khorog - “capital of the Pamirs”. Nach einigem Suchen finden wir dann auch die Pamir Lodge – eben auch eine dieser Radlerempfehlungen... Die Zimmer sind zwar alle besetzt, wir dürfen jedoch unser Zelt im grossen Garten aufstellen. Und welch ein Wiedersehen...! Viele Reisende kennen wir bereits aus Dushanbe und so gibt es allerhand zu erzählen. Die Pamir Lodge ist ein besonderer Ort. Sie wurde vom jetztigen Imam der Ismailiten, AgaKhan IV, etwas oberhalb des Stadzentrums erbaut und beherbergt neben den Räumlichkeiten für die Gäste auch ein Gebetsraum, in welchem sich Männer und Frauen gleichermassen einfinden. Die Atmosphäre ist friedlich, auch wenn viele Leute da sind, hat es genügend Raum, damit man sich zurückziehen kann. Im Garten grast der Esel und kleine Kinder und junge Katzen tummeln sich unter den Obstbäumen.

Wir gönnen uns einen Pausentag und wägen nochmals ab, über welche Strasse wir das Herzstück des Pamirhighways anfahren möchten. Im Sommer gab es entlang der M41 einen gewaltigen Erdrutsch, durch welchen sich der Fluss zu einem See aufstaute und ein ganzes Tal unter Wasser setzte. Die Strasse war daraufhin mehrere Wochen gesperrt, ist jetzt aber seit gut einer Woche wieder offen. Dennoch entscheiden wir uns für den etwas längeren und scheinbar anspruchsvolleren “Umweg” durchs Vakhantal.

Und dieser “Umweg” sollte sich lohnen! Landschaftliche Highlights – u.a. einer warmen Quelle mit Badewannegrossem Becken direkt am Strassenrand – zugefallene Fälle (Zufälle) und herzliche Begegnungen.

Am 8.September fahren wir morgens im Dorf Ishkashim ein, welches lange für den Grenzmarkt (Afghanistan liegt, zur Erinnerung, ja nur ennnet dem Fluss) bekannt war. Dieser ist jedoch momentan geschlossen und so hält uns hier nichts länger auf. Dachten wir... Aber da fahren wir doch direkt in die, um einen Tag vorgeschobenen, Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag hinein. Wow, ist das ein Augen- und Ohrenschmaus! Schulkinder tragen traditionelle Trachten, singen und führen Tänze auf, Medaillen für besondere Leistungen werden überreicht. Das ganze Dorf scheint auf den Beinen; es herrscht eine festliche Stimmung. Wir fühlen uns an Schulfeste zu Hause erinnert und können uns kaum satt sehen. Nach einem längeren Austausch mit einem jungen Herrn, welcher sehr gut English spricht, lädt dieser uns sogar zu sich nach Hause ein, wo wir köstlich verpflegt werden. Zudem erfahren wir vieles über die Traditionen der Pamiri und den Vakhankorridor. Vielen Dank liebe Kadamaliev-Familie!

Ausgefüllt von so viel Offen- und Herzlichkeit gondeln wir schliesslich gemütlich durch das ins warme Abendlicht getünchte Tal und erreichen mit den letzten Sonnenstrahlen die Ruinen der ehemals stattlichen Kaahka-Festung. Oben, mit der Aussicht, wird uns die strategisch wichtige Lage der Festung so richtig bewusst! Und unten warten bereits Bon und seine Frau auf uns... Sie haben ihre Souvenirs ausgebreitet und laden uns ein die Nacht in ihrem Guesthouse zu verbringen. So ändern wir spontan unseren Plan und auch dies sollte sich unzahlbar lohnen... Alles ist sehr einfach, dennoch mit sehr viel Kreativität und Herzblut eingerichtet. Wir bekommen ein Zimmer mit einem traditionellen Tapčan (Sitz-,Ess-,Schlafmöglichkeit), im Dach hat es eine Öffnung (ebenfalls traditionelle Bauweise), die uns direkt die Sterne sehen lässt und im Nu werden uns Tee und ein Teller mit Süssigkeiten gereicht. Zum Abendessen gibt es einen Eintopf mit frisch ausgegrabenen(!) Kartoffeln und Karotten. Anschliessend finden sich die Eltern und eine der drei Töchter bei uns ein und mit Hilfe ihrer altersentsprechenden Englischkenntnisse und unserer mitgebrachten Familien- und Schweiz-Fotos ergibt sich ein total zufriedener Austausch. Nach einem erholsamen Schlaf wird uns im “Pavilllon” im Hof ein nahrhaftes Frühstück mit dem besten Brot seit Laaaangem serviert. Oh, die Pamri-Frauen, die können Brot backen, dass mir auch jetzt noch, beim reinen Gedanken daran, das Wasser im Mund zusammenläuft...! Der Abschied fällt dann besonders herzlich aus. Die beiden Jüngsten begleiten uns während der ersten paar hundert Meter – treten sie kräftig in die Pedale des (zu) kleinen Velöli und das andere rennt nebenher.

In zwei weiteren Tagen über ausgefahrene Schotterstrassen (als die M41 gesperrt war, haben all die LKWs der Strasse hier arg zugesetzt), sandige Abschnitte und langgezogene Aufstiege, begleitet vom Blöcken der unzähligen Herden, den fröhlichen Zurufen der Kinder sowie unzähligen freundlichen Einladungen zu Čoj der Erwachsenen, erreichen wir das auf kanpp 3000 Metern gelegene Langar. Die Kulisse während dieser Tage ist atemberaubend und lässt uns immer wieder innehalten, geniesssen und mit der Kamera Bilder einfangen! Auf der afghanischen Flussseite geben Taleinschnitte den Blick auf Schneeberge des Hindukusch frei, neben uns schiesst der Pamir in die Höhe. Beeindruckend! Und irgendwie auch heimelig und wohlig unter all diesen Berg(ler)n... ;-)

In Langar organisiert uns Jodgor, welcher ebenfalls total engagiert ein Guesthouse führt, ein Taxi. Wir haben uns entschieden, die Fahrräder für den anstehenden 80km langen und beschwerlichen Aufstieg auf den 4344 Meter hohen Khargush-Pass zu verladen. Unsere Visazeit rennt und wir möchten gerne auf dem “Dach der Welt” - oder eben für die Krönung (taj = persisch für Krone) - genügend Zeit haben. Kraft und Nerven, die uns dieser sandige Aufstieg kosten würde, sparen wir lieber für die Fahrt auf dem Hochplateau.

2 Kommentare
patrik kirtap link
14/11/2015 12:04:55

das vakhan... wunderbar... beim lesen eurer berichte schiessen mir tausend erinnerungen durch den kopf... es war für mich ein so wichtiger teil meiner reise...
herzlich
patrik kirtap

Antwort
Rob Thomson link
19/11/2015 23:37:57

It was so nice to host you both in Chitose here in northern Japan. Thank you for staying! I hope your journey through Russia is smooth and full of adventure.

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