Der Tahtakaraca-Pass wartet auf uns. Nach der mehrheitlich ebenen Strecke in Usbekistan freuen wir uns auf eine Abwechslung mit Abfahrt. Doch diese muss sich, dann doch etwas härter als angenommen, verdienen lassen. Seit langem ist die Luftfeuchtigkeit wieder etwas höher, was wir gewiss spüren. Die Abfahrt durch die mächtigen, gleichmässig und schön abgerundeten Gesteinsformationen versüssen wir uns mit den auf dem Passparkplatz angebotenen Rosinen, Dörraprikosen, gerollten luftgetrockneten Melonenschnitzen und gerösteten Aprikosenkernen.
Sharisabz ansteuernd holpern wir in gemässigtem Tempo vorbei an gemütlichst aussehenden Kurvenbeizli, sprudelnden Brunnen, Früchteverkäufern, winkenden Buben und Mädchen. Letztere umscharen uns dann auch geduldig und nicht aufdringlich, als wir uns sicher eine halbe Stunde mit Sebastiano und Florence unterhalten, die uns in der Abendsonne ebenfalls mit dem Radl entgegenfahren. Schliesslich ergibt sich eine sehenswerte Gruppenphotographie, welche die kindliche Neugier belohnt.
In Sharisabz logieren wir im wohl zurzeit einzigen für Touristen auffindbaren Hotel. Einziges Highlight im von aussen sehr gepflegt und prunkvoll aussehenden Gebäude sind dessen stetige Bewohner. Die sich aus der Badzimmersockelleiste zu unserem Traubenvorrat bildende Strasse ist mit reichlich Ameisen versehen und morgens sorgen die im Dachzwischenboden ansässigen Tauben für etwas “Klang” im sonst eher leblosen Esssaal.
Anmerkung der Redaktion: In Sharisabz haben wir als einziges in Usbekistan noch nicht wieder renovierte Kulturgüter angetroffen. Wer diese jedoch noch so sehen möchte, muss sich wohl sputen, denn auch hier wird alles wunderhübsch zurechtrestauriert und auf neu-alt gemacht. Sogar die halbe Ortschaft musste der einfühlsam geplanten neuen Transit-Strasse weichen. Hallo Tourismus!?
Wie auch immer, beim Geldwechsel mitten im lebhaften Morgenmarkt kriegen wir einen weiteren Eindruck in die Lebensweise der usbekischen Bevölkerung. Frisch gebackenes Brot wird des Glanzes halber mit Wasser bepinstelt, zwei Damen in langen Röcken laufen unter einem Sonnenschirm – also eigentlich einem Regenschirm gegen die Sonne - zielstrebig dem Bazareingang entgegen und die Limonadenverkäufer “glüüsslen aufmerksam” zu den beiden Veloreisenden hinüber.
Nahe Kutanbay machen wir am Schatten eine ausgedehnte Mittagspause und lassen die grösste Hitze vergehen. Kaum gestartet hängen wir noch eine weitere Pause an, die wir mit dem ebenfalls im Schatten wartenden, lustigen Nick aus Australien – auf dem Weg nach England – verbringen.
Die Sonne, welche uns eben noch zu hohe Temperaturen zur angenehmen Weiterfahrt bescherte, steht nun schon ordentlich tief und bietet uns ein wunderbares Spektakel. Ein Hirte läuft im abendgelben Gegenlicht durch die Steppe und winkt uns zu. Der von den Tieren aufgewirbelte Staub legt seinen magischen Schleier über die Szene. Ein herrlicher Ablick, welcher uns viel Ruhe vermittelt.
Am nächsten Tag erscheint es uns einleuchtend, auch mal wieder etwas mehr zu pedalen. So halten wir die Pace bereits frühmorgens hoch und brausen durch Ghuzar weiter ostwärts. Am Strassenrand sehen wir hier, wie übrigens schon in ganz Usbekistan bisher, immer wieder selbstgemachte Lehmbacksteine in allen erdenklichen Aufstapelungs- und Trockungsarten. Die Kunst der Backsteinbäcker – oder wie diese auch heissen – bewundernd, werden wir von einem GAZ-Lieferwagen überholt. Einer wie viele, den wir nicht wirklich besonders beachten. Vorerst! Denn als die auf der Pritsche geladenen Baumwollpflückerinnen uns entdecken, ist es um die morgendliche Ruhe geschehen und das Gekreische und Gelächter ist perfekt.
Einige Aufstiege, einen lebendigen Markt mit Teppichen, Möbeln, Ziegen und Rindern - lebend und in Hälften hängend - sowie einige Früchtkübelstände weiter, zeichnet sich ein weiterer Plattfuss ab. Schnell bemerken wir, dass sich trotz guter Inspektion beim letzten Mal noch ein feiner Metalldorn im Pneu befindet. Mit frischer Luft im Vorderrad wollen wir weiterradeln, als der flinke Jochen aus den Niederlanden angebraust kommt. Wir flicken noch hurtig seine eine Taschenanhängevorrichtung bevors weitergeht. Wir lassen den ehem. Wettbewerbsfahrer ziehen und rollen in unserem Tempo gemächlich weiter. Vor dem nächsten Kontrollposten treffen wir Oli und Phil aus der Schweiz, die mit ihrem Pandamobil an der Mongolrallye teilnehmen. War schön, kurz mit euch zu plaudern! Hoffentlich konntet ihr den Achsschenkel reparieren.
Nächstentags erreichen wir nach anfänglicher Krackselarbeit, einer angenehmen Abfahrt, nach der Passage einer grossen enorm staubigen Strassenbaustelle und einem erneuten – äusserst schweisstreibenden - Anstieg schliesslich Boysun. Bei der Einfahrt in die Stadt bietet sich uns im Süden eine Aussicht, welche in anderen Ländern touristisch vermarktet würde. Die Haupttalflanken verlaufen sich zunehmend in feineren Hügeln, welche sich in der Ferne aneinanderschmiegen und etwas aussehen wie kleine “Meringues”.
Boysun passieren wir und schlagen unsere grüne Villa einige Kilometer danach mitten in der weitläufigen Talsohle nahe Dashtigaz auf.
Am Freitagmorgen können wir die sich uns bietende Szene über eine Distanz von gut 20km abwärtsrollend geniessen. Rot leuchtende Felsbänder, gemächtlich ziehende Schafherden in den Flanken, entspannte und fröhliche Hirtenlächeln machen unseren Tag, wie man es im Englischen zu sagen pflegt. Unterwegs treffen wir auf die liegend radelnden Guillaume und Martina (F/A), welche wir schon in Istanbul vor der usbekischen Botschaft getroffen haben. Mit Dörrfrüchten und Chrömeli versüssen wir uns die Pause nach dem gemeinsam gemeisterten Aufstieg vor Tangimush.
Im lebendigen Denav holen wir uns den letzten “Registrierungsfötzel” und können uns optimal auf den anderntags bevorstehenden Grenzübertritt vorbereiten. Ob all den Gerüchten über äusserst ausführliche Taschenkontrollen und “Leibesbegutachtungen” in Unterwäsche, von Übertrittszeiten bis 5h sind wir schon etwas aufgeregt. Doch die gute Suppe aus der Küche der Hotelmamma sowie die wohlige Dusche stimmen uns zuversichtlich und beruhigen.
09:47Uhr: Erster Kontrollposten passiert. Pass vorgewiesen, Namen aufgeschrieben. David und Dasda steht nun im Logbuch des schludrig arbeitenden Wächters. (“Dasda” sagte Flurina übrigens, als sie mit dem Finger auf die Zeile des Familiennamens in ihrem Pass zeigte. )
11:03Uhr: Die letzte Barriere auf usbekischem Boden ist passiert. Der junge Grenzwächter, welcher David gerne noch weitergefeiert hätte, wurde bei der begonnenen, ausgedehnten Taschenkontrolle von seinem Vorgesetzten aufgrund der sich (glücklicherweise) bildenden Warteschlange zurückgepfiffen, was den Prozess wohl ungemein beschleunigte.
11:48Uhr: Der dumpfe Ton des Stempelsschlages vom tajikischen Grenzbeamten verhallt. Einen Augenblick später treten wir das erste Mal auf tajikischischem Boden in die Pedale.
12:03Uhr: Mittagspause in Tadjikistan mit einem kleinen Nickerchen anschliessend, welches uns mit der zunehmenden Entspannung wohlbehagt.
Auf der – wie uns gesagt wurde – von chinesischen Ingenieren gebauten superfeinen Strasse flitzen wir rasch in Richtung Dushanbe. Seit langem, es müssten gemäss unserer Rechnung sicher zweieinhalb Monate sein, regnet es wieder einmal. Welch Freude, die in mir aufkommt!
Wir entschliessen uns, noch eine Nacht vor Dushanbe zu verbringen und werden in einem saftig grünen Pfirsichhain eines Zeltplätzchens fündig. Der fröhlich und herzhaft lachende Besitzer “Köbi” (Anmerkung der Redaktion: Name leider unbekannt.) bringt uns erfreut über den Besuch sogar einen Teppich für unters Zelt und frische Früchte. Tausend Dank!
Sonntagmorgens biegen wir in die erste grosse Stadtstrasse ein. Der uns vorausgesagte wirbelnde Stadtverkehr ist inexistent und wir haben freie Fahrt. Nach einem ersten Geldwechsel und einem Vorsondierungsbesuch beim OVIR-Büro für die Einholung des “Pamir-Permits” biegen wir in den grünen Innenhof des Hostels ein. Hier verbringen wir nun 3 Nächte und bereiten uns auf den kommenden, abenteuerlichen knappen Monat vor. Neben Routen- und Höhenprofilanalysen, Veloputzaktionen, Photosicherungen und Grosseinkäufen findet sich immer auch wieder Zeit für einen anregenden Schwatz mit einem der 14 Veloelern oder anderen Reisenden.