Am Morgen des 29. Mai wechseln wir wieder einmal die Spurbreite und nehmen, wie geplant zwecks Visaverbindlichkeiten und Jahreszeitenbeschränkung, einen Reisebus. Punktgenau zur Abfahrtszeit erreichen wir dank besten Navigationskünsten von Can den Busbahnhof in Ankara, verladen huschhusch unsere “Bisikle” und düsen bald darauf mit dem Bus ab nach Nevşehir. Unterwegs gibts einen kurzen Rast am Ufer des Tuz Gölü, einem 1600m2 grossen Salzsee mitten in Zentralanatolien. In Nevşehir angekommen, prägt sich eine Wolkenfront zu einer Gewitterfront aus, welcher wir rasch einkaufend und dann weiterradelnd entkommen möchten. Leider wird daraus nichts und wir strampeln in unseren Regenkleidern schwitzend bei Blitz, Donner und heftigen Windböen Uçhisar entgegen. Im Pigeon-Valley finden wir zwischen kitschigen Souvenirs einen Schermenplatz bis das gröbste Gewitter vorbei ist. Mit den ersten, wieder durch die Wolken dringenden Sonnenstrahlen erblicken wir die Pracht Kappadokiens. Überall ragen breite, sich gegen oben in einer feinen Spitze verlaufende Gesteinsformationen in die Höhe und schimmern intensiv rot, braun und grün in den nachgewitterlichen Lichtern. Vor dem Souvenirsladen kreist ein riesiger Taubenschwarm und macht die Kulisse perfekt.
Istanbul, und damit den europäischen Boden, verlassen wir per Fähre. Nach einer gut stündigen Überfahrt erreichen wir Yalova, wo es nun nach 10 Tagen Pause, wieder heisst: in die Pedale, fertig, los! Getreu dem Motto “mal ufe, mal abe, mal ufe, mal abe, ...”, wie wir es doch von den letzten Kilometern vor Istanbul noch in Erinnerung haben, kommen wir also wieder ins Radeln. Entlang des Iznik Gölü reiht sich ein Olivenhain an den anderen, so dass wir bald den Eindruck haben, es sein ein einziger. Jeweils der Strasse und somit auch dem See zugewandt, wird jeder Olivenhain mit einem kleinen Artischocken-Gärtli, einem Nuss- oder Feigenbaum abgeschlossen. Wir sehen vorwiegend alte Frauen und Männer, welche am Strassenrand in improvisierten “Budeli” ihre Produkte – v.a. Öl und eingelegte Oliven – anbieten. Leider in so grossen Mengen, dass wir nicht einfach “es Hämpfeli” einpacken können. Am nächsten Morgen füllen wir in Iznik unsere Futter-Vorräte auf. Während ich die Einkäufe in den Sacochen verstaue und sich David nach dem Weg durch die Stadt erkundigt, steht plötzlich ein junger Herr mit zwei Çay vor uns. “Hä?? mir hei doch gar nüüt bstellt...” Er deutet auf den Ladenbesitzer und dieser lässt uns mit einem Lächeln verstehen, dass er uns diese Çays offeriert. “Teşekküler!” - Danke! So und ähnlich ergeht es uns in den nächsten Tagen noch mehrmals. Wir staunen nicht schlecht, wenn wir auch im noch so kleinen Bergdorf ein Çay-Beizli entdecken. Was dann vor sich geht, möchte ich euch beispielhaft hier zu schildern versuchen: zwei Veloreisende strampeln sich durch die Nachmittagshitze durch Berge und Täler. Verschwitzt und dennoch meist vergnügt, kommen sie in ein Dorf. Dort sitzen im Schatten einer Pergola eines unscheinbaren Häuschens gleich am Strassenrand ein paar Männer - die Häupter der meisten sind schon ergraut und mit einem dieser filigran gestrickten oder gehäkelten Käppi geziert. Einer von ihnen entdeckt die beiden Radler und weist seine Kumpanen darauf hin. “bisikletler” – Velos... mit Gepäck!... - und ja: die eine Person ist gar eine Frau...! Dann wird wild gewunken, die Geste des Rührens im kleinen Gläsli von “Çay! Çay!”- Zurufen begleitet, mehrmals wiederholt. “Du, was meinsch? Mache mir es Pöiseli? So nes heisses Çay wär doch jetz guet...” Und so landen wir unzählige Male in solchen “Tee-Budeli”. Innert weniger Minuten versammelt sich dann jeweils eine Runde von 10-20 Männern. Ich glaube, das nennt frau Buschtelefon... Wir beide mittendrinn... Als Reisende habe ich das Privileg als Teil dieser Männerrunden akzeptiert zu sein. “Henne im Korb”... Ganz wohl fühle ich mich jedoch nicht immer dabei... Zu diesen Tee-Runden scheinen nur Männer zugelassen – zumindest haben wir nie Frauen angetroffen – und nur sie scheinen Zeit dafür zu haben. Wir verständigen uns mit Händen und Füssen (waaas? Ihr sprecht kein Türkisch?? Aber hier spricht man doch Türkisch...!!?) und die Herren versuchen, ob wir denn nicht zumindest etwas mehr verstehen, wenn sie laut und deutlich sprechen... Naja... immerhin haben wir bereits herausgefunden, welches die wichtigsten Fragen sind...: 1) Where are you from? oder auch: what is your name – soviel Englisch kann JEDER Türke...! Frage 2) erfolgt über folgende Geste: die beiden Zeigefinger werden ausgestreckt und aneinander gerieben und von einem fragenden Blick gefolgt (seid ihr verheiratet?) und schliesslich 3) bebek (türk. für Kleinkind) ?? Und schliesslich zum Kern der Situation: Der Çay wird hier in zweistöckigen Kannen zubereitet. In der unteren befindet sich heisses Wasser, in der oberen das “Konzentrat”, welches durch die Wärme der unteren Kanne warmgehalten wird. Der Tee wird sehr stark zubereitet und dann jeweils so serviert, dass zuerst ein Schluck “Konzentrat” ins Gläsli gegossen und dieses dann mit Wasser aufgefüllt wird. Nicht fehlen darf: şeker – Zucker. Das Zuckerwürfeli – ganz nach türkischer Art – mit den Schaufelzähnen entzweien; eine Hälfte ins Gläsli, die andere genüsslich auf der Zunge vergehen lassen... Zum offerierten Çay gibts meist auch gleich noch eine Gratis-Wegbeschreibung dazu. Weil wir reisen ja mit einer Karte, haben folglich wohl nicht so viel Ahnung, wo wir uns gerade befinden und die Türken lieben es “ds Längem und ds Breitem” die für uns beste Route untereinander zu diskutieren. Diese sollte uns dann jeweils gleich auch auf die nächste grösstmögliche Strasse führen. Denn mit dem Fahrrad fährt man doch wirklich am Besten auf der Autobahn. Dort ist die Strasse gut. Und es geht immer alles schön geradeaus und flach.... Fahren wir weiter, so wird bald klar, wo die Frauen verbleiben. Auf den unzähligen Pflanzblätzen, Feldern und den steilen Hängen abgerungenen Äckern verrichten sie die Arbeit. Frauen mit geblümten Pluderhosen, dunkeln Blusen und weissen Kopftüchern – dieses Bild wird mich wohl noch lange begleiten, wenn ich an die Türkei zurückdenke... Hie und da haben wir Gegenverkehr der besonderen Art: Schaf-, Ziegen- oder Rinderherden ziehen mit oder ohne Hirt ebenfalls über die Strassen. Meist benutzten Radreisende ja die auf der Karte vermerkten Strassen. Aber es gibt eben auch andere... Und die benötigen dann für eine Strecke, welche sie als lockere Tagesetappe dem Fluss entlang eingeschätzt haben, auch schon mal zwei Tage... Aber ich sag euch: es hat sich gelohnt! Zwischen Vezirhan und Inhisar, dem Fluss Sakarya Nehri folgend, “geraten” wir mitten in die Kirschernte, erhalten an einem Tag wohl mehr als zwei Kilogramm der herrlichen Früchtchen geschenkt, und werden für die steilen Aufstiege x-fach mit wunderbaren Aussichten belohnt und finden abends wunderbare Plätzli für unsere grüne Villa. Entlang es Flusses scheint der Boden fruchtbar und es wird viel Gemüse(Artischocken, Gurken, Tomaten, Salat, …) angepflanzt. Schier unendlich geht es “ufe u abe”, die Vegetation wird schon richtig bergig, über uns kreisen mehrfach Schmutzgeier und das Städtchen Nallıhan kommt und kommt nicht... Dennoch wunderbar: kurz vorher hält ein Auto auf der anderen Strassenseite. Der Herr steigt aus, erzählt, er habe uns schon im Verlauf des Tages gesehen und habe sich gedacht, wir könnten sicherlich eine Erfrischung gebrauchen. Wir bekommen zwei Kübeli feinste Ziegenmilch-Glace überreicht... Welch' ein Geschenk des Himmels! Als würde man uns ansehen, dass uns diese Etappe herausgefordert hat, werden wir in der Stadt von einem Ehepaar zu einem Kirschsaft eingeladen. Die 15-jährige Aycan wohnt während ihres Ausbildungsjahres bei ihnen und schlägt sich als Übersetzerin ganz tapfer! Liebe Aycan, die Rose, welche du mir geschenkt hast, trage ich immer noch mit mir... Von Nallıhan nach Beypazarı fahren wir durch eine weite Landschaft, welche uns mit in rot, ocker und grün geschichteten “Bergen” überrascht. Manchmal hat das ganze schon ein wenig Wüstencharakter. Wie eine Oase scheint uns deshalb der See vor Çayırhan, wo wir uuuunzählige Kormorane beobachten können und auf der Terrasse des Parkhauses in Gesellschaft des Wächters unser Zmittag geniessen. Die Landschaft ist so wunderbar, dass wir die kräftigen Regengüsse und Gewitter welche uns während mehrerer Tage abends warten gut wegstecken können. Also... das ist jetzt auch ein wenig geblufft... Wir haben nämlich gleich zwei Mal hintereinander im Hotel geschlafen... Einen Tag später stehen wir vor dem Ortsschild von Ankara, der türkischen Hauptstadt. Für uns Landeier doch irgendwie nur schwer vorstellbar: in dieser Stadt leben von der Anzahl her mehr als die Hälfte aller SchweizerInnen... In Ankara können wir uns gerade noch rechtzeitig bevor Petrus den Wassereimer über der Stadt ausgiesst in ein sogenanntes “Büfe” retten. Bei Çay, Gözleme und anderen Spezialitäten kommen wir langsam so richtig in der Stadt an. Später suchen wir uns einen Weg durch den dichten Verkehr hinauf zur Hacı-Bayram-Moschee. Während David bei den Rädern Wache steht, lege ich mir ein Kopftuch um, ziehe meine Schuhe aus und tauche für einen Moment in die besondere Welt einer Frauen-Moschee ein (resp. oberer Stock für Männlein, unterer Stock für Weiblein). Was hier nicht alles Platz hat... An eine Säule gelehnt lesen einige Frauen den Qu'ran, andere wiederum knien vor einem Bildschirm, auf welchem Qu'ran-Verse zitiert werden. Durch die weiten Räume rennen lachende Kinder, spielen Fangen. Am Rande sitzen Frauen in Grüppchen zusammen, beten, schwatzen oder geniessen gar den mitgebrachten Çay. Can und Petek sind dann für die nächsten beiden Nächte unsere warmshower-Gastgeber. Wir fühlen uns super wohl und aufgenommen bei ihnen. Petek verwöhnt uns mit ihren Kochkünsten, Can übernimmt die Rolle als Guide bei einer rasanten Stadtrundfahrt durch den unglaublichen Verkehr Ankaras und führt uns an Orte, welche diese Stadt ausmachen. Rückblickend ein paar Einblicke in unsere 10 “Ferien”-Tage in Istanbul: Eigentlich wollten wir doch nur ins Oberaargau fahren... und noch ein bisschen weiter... Am 77. Reisetag haben wir die Stadt am Bosphorus erreicht. Gleich am nächsten Morgen machen wir uns, gewappnet mit Antragsformular, Pass und Fotos auf den Weg zum Usbekischen Konsulat, wo wir ein Visa beantragen wollen. Wir treffen gleichzeitig, wenn auch aus entgegengesetzter Richtung, mit einem anderen Touristenpaar dort ein. Meine Vermutung bestätigt sich gleich, als ich die beiden auf Schweizerdeutsch anspreche... Iris und Reto sind ebenfalls mit dem Fahrrad aus der Schweiz Richtung Zentralasien unterwegs... Stecknadelkopfkleine Welt. Gegenseitig gibt es einiges zu erzählen und so wird die Wartezeit angenehm verkürzt. Wir reichen unsere Formulare ein und fordern nochmals mit Nachdruck, dass wir die Visa in einer Woche abholen möchten. Mal sehen. Gemeinsam mit unseren neuen Freunden fahren wir dann gleich anschliessend in einen anderen Stadtteil um dort auch noch beim Tajikischen Konsulat vorstellig zu werden. Unterwegs stärken wir uns mit einem Stück Züpfe (ja, ihr lest richtig!), welches Iris und Reto von Freunden aus der Schweiz geschenkt bekommen haben und nun mit uns teilen. Mmmm! Danke viuviu Mau! Vor dem Konsulat werden wir von einem Polizisten informiert, dass die Tajiken heute aufgrund eines Feiertages nicht arbeiten und so endet unser Versuch in einer Kaffeefahrt. Eine Woche später: erneuter Treffpunkt der “Cyclonomaden” vor dem usbekischen Konsulat. :-) Drei weitere gesellen sich zu uns vier Schweizern. Man könnte wirklich schon fast meinen die Seidenstrasse sei zum “Bicycle Hihgway” verkommen... Nach einer ersten Wartesequenz können wir die Pässe abgeben und gehen davon aus, dass wir diese die vorgesehenen fünf Stunden später mit eingeklebtem Visa wieder abholen können. Doch wir warten lange. Abends um 19:30 halten wir sie dann endlich in den Händen... Mit einem Schöggeli als Entschädigung fürs Warten... :-) Der Konsul persönlich hat sich mächtig ins Zeug gelegt, damit schliesslich alles geklappt hat. Wir freuen uns riesig! Vier glückliche SchweizerInnen “zöttele” den Konsulatshügel runter und fragen sich, wo wohl das nächste Vier-Gewinnt ausgetragen wird... Eines Abends verabreden wir uns mit Patrik, welchen wir im Reparatur-Kurs im Veloplus in Ostermundigen kennengelernt haben. Er ist über eine andere Route bereits vor ein paar Tagen in Istanbul eingetroffen. Als wir einen Treffpunkt vereinbaren, kündet er uns zudem eine Überraschung an. Wir sind neugierig und staunen nicht schlecht, als er die beiden Berner Veloeler Marianne und Tom mitbringt. Ebenfalls aus der Schweiz unterwegs Richtung Osten. Stecknadelkopfkleine Welt zum Zweiten... Wir geniessen dann alle zusammen ein Abendessen in einem Restaurant im Touristenquartier Sultanahmet, von welchem Patrik und David gleich zum Voraus und zur Verunsicherung des Personals die Küche inspizieren. Wir geniessen den schönen Austausch mit anderen Radreisenden und verbringen einen gemütlichen Abend. Danke viu Mau, öich aune! Als wir am folgenden Tag auf dem tajikischen Konsulat eintreffen, sitzt Patrik bereits im düsteren Vorräumli und füllt das Antragsformular aus. Natürlich “kennen” wir ihn nicht, bis der junge Herr welcher uns in Empfang nimmt nach unserer Nationalität fragt und dann deutet, dass der dritte auch Schweizer sei. Nun kann das Plaudern ja losgehen... ;-) Gemeinsam spazieren wir zur Bank, wo wir die geforderte Einzahlung tätigen und erhalten dann etwa 45Min später unsere – persönlich vom Konsul handschriftlich ausgefüllten - Visa. Judihui Geissetrudi! Tajikistan wir kommen! Zur Feier gönnen wir uns gleich die besten Baklava, die wir je gegessen haben. SchlemmerSchlemmer... Die Bouffeuse lässt grüssen ;-) Einmmal sind wir bereits vor 06:00 unterwegs - wunderbar, wenn die ersten Sonnenstrahlen an den Minaretten der blauen Moschee (übrigens mit sechs Minaretten, normalerweise gibts nur vier) kitzeln. Die morgendliche Frische erquickt uns und wir machen anschliessend einen langen Spaziergang hinunter ans Meer. Auch der Bosphorus erwacht langsam. Einige Sportliche drehen bereits ihre Jogging-Runden und hängen dann im öffentlichen Fitnesspark auch gleich noch ein paar Kraftübungen an. Eine handvoll Männer springen zur Morgentoilette ins kalte Wasser. Ein Pärchen wärmt sich eingekuschelt in Decken an einem warmen Tee. Hie und da sehen wir die Fluken der Delfine kurz aus dem Wasser hochschellen. Hunde strecken und recken sich und legen sich dann nochmals für ein aufmerksames Nickerchen hin. Und dann ist da noch Ferdinand... Er ist kräftig gebaut, seine Bewegungen sind geschmeidig und er lässt seinen wachsamen Blick über das Ufer schweifen. Setzt sich kurz hin, schlendert dann weiter und begrüsst hie und da eine seiner Herzensdamen. Wir glauben in ihm den König dieses Küstenabschnittes zu erkennen! Und die vielen Scherben, die hier rumliegen rühren wohl von den vielen gebrochenen Damenherzen... Wir erinnern uns unweigerlich an Mani Matter: “...ä sone stolze Moudi...är wo so vil het gworbe um d Liebi im Quartier... är het für d'Chatzä gsungä doch nid für d'Chatz....” Wir bewegen uns grösstenteils in unserem “Dorf” - dem Sultanahmet-Quartier (wo David während eines abendliche Streifzugs übrigens auf einen ehemaligen Bandkollegen trifft – stecknadelkopfkleine Welt zum Dritten!) - und versuchen diesem Teil der Stadt näher zu kommen. So haben wir beispielsweise die Hagia Sophia (Aya Sofya) besucht und liessen uns sowohl von deren Architektur als auch Geschichte beeindrucken. Und das erst noch gratis und franko... Ich weiss gerade nicht wie mir ist, als wir nach dem Ticket-Kauf in der Schlange stehen um das Eingangs-Drehrad zu passieren und ich plötzlich angesprochen werde: “you free! handicap!” Der Herr reisst mir die Tickets fast schon aus der Hand und kommt später mit Gratiseintrittskarten und dem Geld zurück... Mit einem Mal ist ganz viel meiner Unsicherheit und offenen Fragen betreffend des Umgangs mit meiner Beeinträchtigung im hiesigen Kulturkreis weggeblasen! Den grossen Basar besuchen wir mehrmals. Noch viel spannender als der Basar selbst erscheint uns das Treiben rundherum. Da werden Kleider, Schuhe, Teller und vieles mehr aus Autos ausgeladen und auf Handkarren umgeladen. Oder gar Räf (Tragevorrichtung) bepackt. Bei den “Fressbuden” gehen unterschiedlichste Kebab über die Theken und es wird Ayran geschlürft. Abends wenn die offiziellen “Läden” schliessen, wird es besonders spannend – dann wird nämlich ein zweiter Basar ins Leben gerufen. Jener Basar, welcher geprägt ist von vielen Frauen und Männern, welche ihre Ware in einem Tuch eingewickelt mitbringen und gegebenenfalls innert kürzester Zeit wieder verschwinden lassen können. Wir schlendern mitten durch dieses Treiben und können einmal mehr einfach nur staunen... und nach meinem ersten “schlechten” Deal komme sogar ich ins Fieber mit “händele”, wie es sich hier eben gehört... ;-) Ich sitze im Hotelzimmer im Quartier Sultanahmet in Istanbul. Das Fenster steht weit offen. Lausche ich den Geräuschen draussen, so dringen das “Singen” der Katzen (ich weiss, dass sie - wie so oft in den letzten Tagen – auf dem Dach gleich über die Strasse ihre Meinungsverschiedenheiten austragen), das Kreischen der grossen Silbermöwen und das Dröhnen der Schiffshörner (riiiesige Frachter, Kreuzfahrtsschiffe oder Küstenwachen) an meine Ohren. Und fünf Mal täglich der eindringliche und – so scheint mir – leidenschaftliche Ruf des Muezzin. Das Fenster steht weit offen – ich habe freie Sicht auf das Meer. Meine Augen ruhen wachsam auf der weiten Fläche. Ob sich die Delfine wohl heute Abend auch wieder blicken lassen werden? Lasse ich meinen Blick weiter, ans andere Ufer des Bosphorus schweifen, so kann ich ganz deutlich den asiatischen Stadtteil erkennen. Hmmm... In ein paar Tagen werden wir beide zum ersten Mal Europa verlassen. Nachfolgende Momentaufnahmen sollen euch einen Einblick in unsere letzen Kilometer auf europäischem Boden geben: Die Einfahrt nach Thessaloniki gestaltet sich – angesichts dessen, dass wir grosse Strassen meiden – herausfordernd. Wir verfahren uns und alle, die wir fragen, beschreiben uns den Weg über die Autobahn... Neeeiin!, da wollen wir nicht hin. Nach zwei Händen voll zusätzlicher km, fahren wir schliesslich über den Meeresdamm doch noch in der zweitgrössten Stadt Griechenlands ein. Das selber mitgebrachte Abendessen geniessen wir auf der Terrasse unseres Hotelzimmers im 7.Stock, wo Spyren über unseren köpfen jagen und mit ihren Rufen den Lärm der Stadt fast vergessen gehen lassen. Die Ausfahrt aus Thessaloniki gestaltet sich von der Wegsuche her ähnlich herausfordernd wie die Einfahrt. Kommt dazu, dass wir innert kürzester Zeit zudem rund 500 Höhenmeter überwinden. Aber jeder Aufstieg lohnt sich! Die Landschaft ist grossartig. Zwei Tage später erreicht uns am frühen Morgen die Nachricht, dass am Vorabend Flurinas drittes Gottekind zur Welt gekommen ist. Welch' grandioser Start in den Tag! Freudentränen und eine leise Wehmut so weit weg zu sein... Liebe Melina, herzlich Willkommen du kleine Erdenbürgerin! Seit wir im Bernbiet losgeradelt sind, durften auch weitere Freundes-Familien Familienzuwachs feiern. Aus der Ferne lassen wir euch allen auf diesem Weg unsere besten Wünsche zukommen! Die Landschaft ist mediterran gepräg. Felsen, von grau bis rötlich, wechseln sich mit üppiger Vegetation. Die Farben des Meeres wechseln von kräftigem Blau zu diversen Grüntönen. Wir denken an unser altes, in so unzähligen Stunden renoviertes VW-Busli, welches in der Farbe “seablue” gehalten ist... Hält Flurina wieder einmal ruckartig auf mitten offener Strecke an, stellt ihre Frida an den Strassenrand, so musst du gar nicht erst drei Mal raten, was sich gerade abspielt... : Eskort einer Schildkröte von der einen auf die andere Strassenseite... :-) Zudem begegnen uns unzählige Smaragdeidechsen und Schlagen. Die grössten davon sehen wir jedoch jeweils nur noch im Format “flach für ids Album”. Fahren wir durch ländliche und wenig besiedelte Gebiete und vernehmen plötzlich eigenartige Rufe, so lassen sich nach genauerem Hinschauen sicher irgendwo im Gebüsch eine buntgemischte Ziegenherde und deren Hirt sehen. In flachen Gebieten sind es eher Schafherden. Hie und da treffen wir auch ältere “Manndli”, die ihre Kuh spazieren führen. Es ist heiss heute. Unsere Velocomputer zeigen bis zu 35°C an. Da kommen uns die drei Bäche, welche wir barfuss und die Stahlrösser schiebend durchqueren müssen, gerade recht! Der Schweiss läuft … Nach Ariana “klettern” wir den Pass, hinter welchem Mega Dereio liegt, hoch. Bereits unterwegs werden wir immer wieder für unsere Strapazen belohnt: “Chutterli” schmeichelt uns heute kühl und sanft, die Aussicht hinunter zum klaren Bach, der Blick auf das Tal gleich hinter der nächsten Kurve, … Und: “Hesch dä riiise Vogu gse??” Ruhig ziehen die Gänsegeier ihre Kreise, lassen sich in den Thermikschläuchen hoch und höher tragen, überqueren dann das Tal und kehren schliesslich zum Horst zurück. Ich kann's kaum glauben... Wir sehen Gänsegeier! Und dürfen gar den Anflug auf den Horst beobachten. Ich bin überwältigt und für den Rest des Tages wortwörtlich beflügelt. Im nordöstlichen Zipfel von Griechenland stehen in jedem – auch noch so kleinen Dorf – eine Moschee und oftmals sozusagen vis-à-vis eine orthodoxe Kirche. Erste türkische Einflüssen sind an den Gesichtszügen und den angebotenen Lebensmitteln zu erkennen. Und daran, dass wir nach einer Durststrecke wiederum hier und da ein Lächeln oder gar ein Winken geschenkt bekommen. Von Edirne über Süloğlu, Kirklareli, Pinarhisar nach Vize ist Freund “Chutterli” wieder omnipräsent und bläst uns kräftig entgegen. Doch nicht genug: Fahrradfahren im westlichen Dreiländereck der Türkei ist fast wie Fahrradfahren im Jura – entweder geht es rauf oder runter, 'was dazwischen gibt es nicht. Wir sind langsam müde und dann beweisen unsere Schädel manchmal unglaubliche Kreativität. So singen wir lauthals “Mal ufe, mal abe, mal ufe, mal abe, mal ufe, mal abe, mal ufe, ..” (besser als das Lumpeliedli “mal ufe, mal abe, mal linggs, mal rächts, ...” bekannt). Während einer Pause raschelt es plötzlich im hohen Gras. Zuerst können wir nur die Bewegung in den Halmen erkennen. Dann... eine hellbraune Rute, zwei kleine Öhrchen und schliesslich den ganzen kleinen Knuffel-Hund, welcher da mit sich selbst und uns Verstecken spielt. Zum Glück habe ich bereits vor der Reise mit mir selbst den Deal geschlossen, dass ich ohne Hund nach Hause zurückkehre. Bei all den kleinen süssen Kerlen trage ich innerlich einige Kämpfe aus... Unsere Räder sehen aus wie “Wildschweine” (mussten sie über einige km über einen schlammigen ”Charr-Wäg” schieben) als wir spätabends noch radeln und mitten auf der Landstrasse ein PW verlangsamt. Ohne Worte – die sind nebst diesem herzlichen Lachen auch gar nicht nötig! - wird uns eine Hand voll Kirschpflaumen gereicht... Der Tag erwacht gerade erst und das Zelt wird pfudelnass vom Tau zusammengerollt. Wann und wo werden wir unsere grüne Villa wohl zum nächsten Mal aufstellen...? Mit noch klammen Fingern von der morgendlichen Frische und erleichtert darüber, dass es entgegen unterschiedlicher Ansagen so einfach ging die Fahrräder zu verladen ,sitzen wir wenig später in Vize im Bus und hören den Herrn Hostess immer wieder rufen: “Istanbul, Istanbul, ...” Noch können wirs's kaum glauben. Seit unserem letzten Blogeintrag ist schon fast ein Monat verstrichen. In dieser Zeit haben wir nun schon 3 weitere Länder erfahren. Angesichts der Erlebnisse, welche sich manchmal schon nur innerhalb eines Tages aneinander reihen, gibt es viel Neues zu berichten. Also los: Wir verbrachten zwei Nächte im historisch sehr interessanten Niš, konnten die Batterien wieder etwas laden und den weiteren Streckenverlauf noch etwas feiner “z Fade schlah”. Wir verliessen Niš in Richtung Prokuplje, passierten dieses und wollten auf halber Höhe zu Kuršumlija irgendwo das Zelt stellen. Auf einem Feldweg kam uns ein Mann auf einem Tomos-Töffli entgegen, fuhr vorbei. Wenig später aber wendete er und folgte uns, holte uns ein. Er fragte in Englisch, wo wir hin wollten und was wir um diese Zeit – es war schon gegen 19:00Uhr – hier draussen noch machten. Unserer guten Erfahrungen mit Ehrlichsein folgend, sagten wir ihm, wir seinen auf der Suche nach einem Platz für unser Zelt. Er reagierte nicht sonderlich erfreut darüber und meinte, es sei eine nicht sehr sichere Gegend zum Zelten, riet uns noch etwas weiter zu fahren. Er gab uns vor unserer Weiterfahrt noch seine Handynummer – nur für den Fall, und er sei Polizist. Oha-Lätz! Da waren wir ja an den Richtigen geraten. Er liess uns gewähren. Nach ca. 5km Weiterfahrt ohne dass wir ein anständiges Plätzchen gefunden hätten und nach der Diskussion, ob wir ihn nicht einfach hätten fragen sollen für eine Nacht in seinem Garten, liess sich das Knattern eines Töfflimotoren erneut vernehmen. Goran folgte uns ein zweites Mal. Wir wechselten ein paar Worte hin und her, ehe Flurina ihn fragte, ob wir unser Zelt bei ihm zuhause stellen dürften. Telefon nach Hause; Vater und Ehefrau wurden gefragt. Er nahm uns mit. In Mala Plana führte er uns zu seinem Heim. Was wir an diesem Abend erlebten, berührte uns zutiefst. Wir erlebten einen Mann, Mitte Dreissig, der ein riesiges Herz und noch mehr Charakter zeigte, dass er uns mit nach Hause nahm, beherberte. Unser aufrichtigster Dank lieber Goran! Du bist ein wirklich grossartiger Mensch! In der Früh, gleichzeitig mit Goran, brachen wir auf in Richtung Djavolja Varoš auf. Erstmals seit langem hatten wir wieder einmal Regen. Dieser brach ungefähr zur Mittagszeit herein, worauf wir beschlossen Regenschutz in einem Bushaltestelle-Häuschen zu suchen . Dem Tropfenkonzert des Blechdachs lauschend, genossen wir das Picknick im Trockenen. Gut eingepackt folgten wir der E-80 bei anhaltendem Regen. Es wurde zunehmend kälter. Das Tagesziel “Teufelsstadt” schien bei diesem Hudelwetter und einem “gäien” Anstieg ferner denn je. Da half nur eine Stärkung aus dem Proviantbeutel von Mueti Susanne. Die flachsten Biberli, welche wir je gegessen hatten, waren zugleich die wundervollsten. Wir erreichten Djavolja Varoš, konnten zum Glück im Schermen übernachten. Am nächsten Morgen besichtigten wir in aller Frühe die speziellen Felsgebilde und waren schon wieder auf dem Weiterweg als sich die grosse Masse von Tagestouristen in Reisecars die schmale Strasse hinauf begab. Auf der sich leicht aufwärts schlängelnden Strasse zum Grenzübergang überholten uns unzählige Autos mit Schweizer Nummernschilder. So über den Daumen gepeilt müssten es sicher die Hälfte aller Wagen, wenn nicht sogar zwei Drittel gewesen sein. Die Serbischen Grenzbeamten liessen uns ohne Weiteres passieren, während der kosovarische Grenzbeamte uns für einen kurzen Moment das Herz etwas “wandern” liess. Nachdem er nämlich den Reisepass erhalten und flüchtig durchgesehen hatte, verlangte er “Documents” und zeigte auf die Fahrräder. Was “Documents”? Das sind Fahrräder, versuchte ich ihm klarzumachen. Die hätten ja keinen Motoren und bräuchten demnach auch keine Papiere; ausserdem sei der Motor dieser Vehikel ja da und zeigte auf meine Oberschenkel. Seinem breiten Grinsen entnahm ich, dass er sich nur einen kleinen Scherz erlaubt hatte und so gelang es uns – nachdem das Herz wieder aus den Velohosen raufgekrochen war – auch mitzulachen. Ohne Probleme gabs den Stempel in den Pass und begleitet von guten Wünschen für die Weiterreise rollten wir in das noch junge Land ein. Eine wunderbare Aussicht über weite, saftige Wiesen auf die dahinterliegenden Berge bot sich uns und brachte einige Gedanken an unsere Heimat hervor. Unter vielen wachen Augenpaaren und begleitet von frohen Zurufen bogen wir nach Podujevë ein, wo wir uns erstmals wieder mit Euros eindecken wollten. Der erstgefundene Bankomat spuckte zwar kein Geld aus, war aber urplötzlich Treffpunkt des Quartiers und bot die Chance, mit zwei Fernradlern das Gespräch zu suchen. Die Sprache – Deutsch. So wurden wir vom 4. Dazugestossenen bereits zum ersten Mal auf einen Kaffee eingeladen. Diesen hatten wir kaum ausgetrunken, kam ein weiterer Mann deutsch sprechend auf uns zu. Bestimmt seien wir müde und würden doch sicher so ein-/zwei Stündchen ausspannen wollen. Eigentlich überhaupt nicht müde, konnten wir nicht anders, als ihm in seine Wohnung auf 2 Runden Tee und eine Unmenge von Waffel-Kekse folgen. Wir unterhielten uns prächtig mit ihm. Seinen Reisepässen – er zeigte sie uns von sich aus, quasi als Trophähenpräsentation – entnahmen wir, dass er Europa schon etliche Male durchquert hatte, wenn auch unter ganz anderen Umständen, als wir dies nun tun. Er bestand darauf, uns noch eine weitere Runde Tee einzuschenken. Danach wollte er uns unbedingt noch begleiten. Also. Gemeinsam machten wir eine Einkaufsrunde. Völlig überwältigt von der Gastfreundschaft fuhren wir leichtgängig und von einigen radelnden Knaben umgeben aus dem Städtchen heraus. In Shakovicë wollten wir eben unser Zelt hinter einem scheinbar geschlossenen Reha-Bad aufstellen, als plötzlich ein Lieferwagen in die Strasse einbiegt. Zwei Männer stiegen aus, begannen von den Mäusen hervorgewühlten Humus einzuladen. Als sie uns erblickten, kam einer auf uns zu. Er bemerkte, dass es nur Touristen sein könnten, welche hier campieren würden – wohlverstanden in bestem Deutsch. Einige Wortwechsel später waren wir von Toni eingeladen, doch bei seinen Eltern (Fadil und Zejnije) in der Nähe übernachten zu kommen. Eingeladen – Mitgegangen. Wir wurden von der Familie herzlich empfangen, es wurde uns Tee serviert und wenig später der beste kosovarische Eintopf vorgesetzt, den wir je assen. Dass es uns schmeckte, war Zejnije sofort aufgefallen, da brauchte es keiner Übersetzung von Toni. Doch fürs übrige Gespräch waren wir sehr froh, hatten wir in ihm einen wortgewandten Dolmetscher. Am nächsten Morgen ging der kulinarische Höhenflug weiter und wir erhielten zum Kaffee frischgemachte Kropfne serviert. Wir staunten, wie wohl es uns doch in so kurzer Zeit irgendwo bei gestern noch wildfremden Leuten sein kann. Tausend Dank Fadil, Zejnije und Toni! In Prishtinë durften wir bei Besnik, dem ehemaligen Mitlehrling und Freund von David für zwei Nächte logieren. Merci vielmal lieber Besnik! Von unserem Logis aus konnten wir die Hauptstadt bestens erkunden. Wir schlenderten durch die von blühenden Birnbäumen gesäumte Hauptallee, sahen uns die riesigen Eisenbuchstaben Newborn an und überblickten die Stadt auf einen Tipp von der Strasse weg vom Turm der Mutter Theresa Kathedrahle aus. Unbeschreiblich! Aus der Höhe bestätigte sich das bereits gewonnene Gefühl, dass sich hier so viel in Bewegung, im Wandel, im Aufbau befindet. Überall spriessen neue Häuser und Siedlungen zum Boden heraus, hat es kleine Buden, in welchen gearbeitet wird. Gleichzeitig sprechen die Zahlen der nach wie vor stetig abwandernden Kosovaren ihre eigenen Worte. Mit Gzim verbrachten wir beinahe einen Tag in der Stadt, während er auf den Bescheid seines Arbeitsvisumantrages für die Schweiz wartete. Auch er bemerkte, vieles sei gut im Land und könnte sich gut entwickeln, doch die Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt und die Löhne wären ein anderes Thema. Von Prishtinë aus machten wir auf Empfehlung von Besnik hin einen Tagesausflug nach Prizren. Die Stadt am Rande des “Malet e Sharrit”-Nationalparks und nahe den Grenzbergzügen zu Mazedonien hat ihren ganz eigenen Charme, der uns begeisterte. Nicht zuletzt dank der Privat-Stadtführung, inklusive Einladung zum Mittagessen (Flia) und zum anschliessenden Tee, sondern auch der geschäftigen Stadt mit vielen kleinen Handwerksbetrieben selber wegen, würden wir jedem empfehlen, einen Abstecher in den Südwesten von Kosovo zu unternehmen. Von der Festung aus war der Anblick der Stadt am Fluss Bistrica und der Weitblick in die umliegenden Berge grandios. Übrigens: In Prizren steht eine orthodoxe Kathedrahle, eine katholische Kirche und eine Moschee innerhalb eines Umkreises von ungefähr 300m Durchmesser. Auf der Rückfahrt konnten wir dösend und strickend all die positiven Eindrücke noch einmal revue passieren lassen. Fazit: Der Kosovo, so wie wir ihn erlebt haben, ist einmalig. Über Ferizaj, wo wir einmal übernachteten, gelangten wir Kacanik passierend und im spriessenden Tal des Lepenci an die Grenze zu Mazedonien. Das helle Grün der dichtbewachsenen kosovarischen Talflanken ging in einen dunkleren Farbton über, die Bewaldung lichtete sich und mit jedem zusätzlichen Meter talabwärts weitete sich dieses. Schliesslich wurde das Tal zu einer Ebene, in der Ferne umgeben von lose bewaldeten Hügeln und dahinter einigen weissen Gipfeln; wir erreichten Skopje. Übernachten konnten wir im – von ein paar weltoffenen jungen Leuten betriebenen – Unity-Hostel. Ein kleines, aber feines Hostel mitten im Zentrum, verziehrt und gespickt mit lauter weisen Sprüchen, guten Gedanken, kreativen Dingen. Empfehlenswert! In Form einer Kreuz- und Querfahrt vor der Weiterfahrt schnupperten wir etwas Skopje-Luft. Neben dem Feilschen, Handeln und Leben auf dem Basar fiel uns auch die Bauerei an den unzähligen Statuen, Denkmälern und Monumenten auf. Als wir uns in Katlanovo vergebens nach dem Camping-Platz auf unserer Reisekarte umgefragt hatten, durften wir einmal mehr erleben, was Gastfreundschaft bedeutet. Beitula lud uns ab der Strasse weg zu seiner Familie nach Hause ein. Für die Fahrräder wurde kurzerhand der Geräteschuppen geräumt und sogar herausgewischt. Wir erlebten einen Abend unter dem Dach eines 4-Generationen-Hauses, teilten Freud und Leid der Familie, wurden verwöhnt mit CH-Fernsehsender, Kartoffelstock, Pouletschenkeln, eingelegter Gurke und scharfer Paprikaschote begleitet vom frischesten und besten Pita-Brot frisch aus dem Ofen – vielen freudigen Blicken und herzlichen Lächeln. Es wurden Stunden mit viel Austausch über unsere beiden Länder, Berge, Bäder, übers Zusammenleben und über Europa verstreut, Flucht und Geborgenheit, Arbeiten und Ferien. Als Krönung – nach der Fütterung des Pferdes im Stall – durften wir im Schlafzimmer ins Bett kriechen, während alle anderen im Wohnzimmer in einer Reihe am Boden schliefen, wohlverstanden, um uns im Schlafzimmer gebührend Platz zu bieten. Bestens ausgeruht wurde uns morgens dann schon wieder frisches Brot gebacken und dazu Frischkäse sowie gebratene Wursträdchen serviert. Energiebombe, lecker! All der Gastfreundschaft und immensen Herzlichkeit konnte ich ausser einem aufrichtigen Dankeschön diesmal sogar noch eine kleine Anpassung der elektrischen Installation des Boilerschalters entgegen bringen. Merci vielmal! Obwohl wir die Route durch Mazedonien nach den Plananpassungen in Serbien möglichst höhenoptimiert gestalteten, hatten wir vorerst noch einige Höhenmeter zu überwinden, ehe sich in Richtung Novacani wieder eine weitläufige Aussicht über blühende Obstbäume und im Wind wankende Kornfelder bot. Am Stausee nach Novacani genossen wir, unterhalten von einer Entenfamilie, unser Picknick. Nach einer Nacht im Zelt auf einer Schafweide vor Shtip gings, eskortiert von Freund “Chutterli” südöstlich Strumica entgegen. Wir durchpedalten ein weites, fruchtbares Tal. Dieses war voll von frisch bestellten Feldern und durchsetzt mit Pappeln, Obst-, Nuss- und Mandelbäumen. Beim Einkauf in einem der kleinen Dorflädeli bestand der Fahrer des davor geparkten Eselsfuhrwerk darauf, dass wir ihn ablichten sollen. Dies tat ich dann auch – liess ihn sogar noch wenden, damit er im richtigen (Sonnen-)licht erschien. Nach Strumica, einem weiteren Bergpreis und einem erneuten Landschaftswechsel – es wurde noch mediterraner – fuhren wir auf einer neu markiert riechenden Strasse entlang von Rebfeldern an den Dojran-See. Picknickend konnten wir Kormorane, Pelikane und eine Schlange beobachten, die den See ihren Lebensmittelpunkt nennen können. Nachdem wir den kleiner geglaubten Rest des Mazedonischen Dinars in Grundnahrungsmittel, Früchte und Schleckereien umgewandelt hatten, passierten wir ohne grosse Gefühle und dennoch irgendwie zufrieden die Grenze zu Griechenland. |