Seit unserem letzten Blogeintrag ist schon fast ein Monat verstrichen. In dieser Zeit haben wir nun schon 3 weitere Länder erfahren. Angesichts der Erlebnisse, welche sich manchmal schon nur innerhalb eines Tages aneinander reihen, gibt es viel Neues zu berichten. Also los:
Wir verbrachten zwei Nächte im historisch sehr interessanten Niš, konnten die Batterien wieder etwas laden und den weiteren Streckenverlauf noch etwas feiner “z Fade schlah”. Wir verliessen Niš in Richtung Prokuplje, passierten dieses und wollten auf halber Höhe zu Kuršumlija irgendwo das Zelt stellen. Auf einem Feldweg kam uns ein Mann auf einem Tomos-Töffli entgegen, fuhr vorbei. Wenig später aber wendete er und folgte uns, holte uns ein. Er fragte in Englisch, wo wir hin wollten und was wir um diese Zeit – es war schon gegen 19:00Uhr – hier draussen noch machten. Unserer guten Erfahrungen mit Ehrlichsein folgend, sagten wir ihm, wir seinen auf der Suche nach einem Platz für unser Zelt. Er reagierte nicht sonderlich erfreut darüber und meinte, es sei eine nicht sehr sichere Gegend zum Zelten, riet uns noch etwas weiter zu fahren. Er gab uns vor unserer Weiterfahrt noch seine Handynummer – nur für den Fall, und er sei Polizist. Oha-Lätz! Da waren wir ja an den Richtigen geraten. Er liess uns gewähren.
Nach ca. 5km Weiterfahrt ohne dass wir ein anständiges Plätzchen gefunden hätten und nach der Diskussion, ob wir ihn nicht einfach hätten fragen sollen für eine Nacht in seinem Garten, liess sich das Knattern eines Töfflimotoren erneut vernehmen. Goran folgte uns ein zweites Mal. Wir wechselten ein paar Worte hin und her, ehe Flurina ihn fragte, ob wir unser Zelt bei ihm zuhause stellen dürften. Telefon nach Hause; Vater und Ehefrau wurden gefragt. Er nahm uns mit.
In Mala Plana führte er uns zu seinem Heim. Was wir an diesem Abend erlebten, berührte uns zutiefst. Wir erlebten einen Mann, Mitte Dreissig, der ein riesiges Herz und noch mehr Charakter zeigte, dass er uns mit nach Hause nahm, beherberte. Unser aufrichtigster Dank lieber Goran! Du bist ein wirklich grossartiger Mensch!
In der Früh, gleichzeitig mit Goran, brachen wir auf in Richtung Djavolja Varoš auf. Erstmals seit langem hatten wir wieder einmal Regen. Dieser brach ungefähr zur Mittagszeit herein, worauf wir beschlossen Regenschutz in einem Bushaltestelle-Häuschen zu suchen . Dem Tropfenkonzert des Blechdachs lauschend, genossen wir das Picknick im Trockenen. Gut eingepackt folgten wir der E-80 bei anhaltendem Regen. Es wurde zunehmend kälter. Das Tagesziel “Teufelsstadt” schien bei diesem Hudelwetter und einem “gäien” Anstieg ferner denn je. Da half nur eine Stärkung aus dem Proviantbeutel von Mueti Susanne. Die flachsten Biberli, welche wir je gegessen hatten, waren zugleich die wundervollsten. Wir erreichten Djavolja Varoš, konnten zum Glück im Schermen übernachten. Am nächsten Morgen besichtigten wir in aller Frühe die speziellen Felsgebilde und waren schon wieder auf dem Weiterweg als sich die grosse Masse von Tagestouristen in Reisecars die schmale Strasse hinauf begab.
Auf der sich leicht aufwärts schlängelnden Strasse zum Grenzübergang überholten uns unzählige Autos mit Schweizer Nummernschilder. So über den Daumen gepeilt müssten es sicher die Hälfte aller Wagen, wenn nicht sogar zwei Drittel gewesen sein.
Die Serbischen Grenzbeamten liessen uns ohne Weiteres passieren, während der kosovarische Grenzbeamte uns für einen kurzen Moment das Herz etwas “wandern” liess. Nachdem er nämlich den Reisepass erhalten und flüchtig durchgesehen hatte, verlangte er “Documents” und zeigte auf die Fahrräder. Was “Documents”? Das sind Fahrräder, versuchte ich ihm klarzumachen. Die hätten ja keinen Motoren und bräuchten demnach auch keine Papiere; ausserdem sei der Motor dieser Vehikel ja da und zeigte auf meine Oberschenkel. Seinem breiten Grinsen entnahm ich, dass er sich nur einen kleinen Scherz erlaubt hatte und so gelang es uns – nachdem das Herz wieder aus den Velohosen raufgekrochen war – auch mitzulachen. Ohne Probleme gabs den Stempel in den Pass und begleitet von guten Wünschen für die Weiterreise rollten wir in das noch junge Land ein.
Eine wunderbare Aussicht über weite, saftige Wiesen auf die dahinterliegenden Berge bot sich uns und brachte einige Gedanken an unsere Heimat hervor.
Unter vielen wachen Augenpaaren und begleitet von frohen Zurufen bogen wir nach Podujevë ein, wo wir uns erstmals wieder mit Euros eindecken wollten. Der erstgefundene Bankomat spuckte zwar kein Geld aus, war aber urplötzlich Treffpunkt des Quartiers und bot die Chance, mit zwei Fernradlern das Gespräch zu suchen. Die Sprache – Deutsch. So wurden wir vom 4. Dazugestossenen bereits zum ersten Mal auf einen Kaffee eingeladen. Diesen hatten wir kaum ausgetrunken, kam ein weiterer Mann deutsch sprechend auf uns zu. Bestimmt seien wir müde und würden doch sicher so ein-/zwei Stündchen ausspannen wollen. Eigentlich überhaupt nicht müde, konnten wir nicht anders, als ihm in seine Wohnung auf 2 Runden Tee und eine Unmenge von Waffel-Kekse folgen. Wir unterhielten uns prächtig mit ihm. Seinen Reisepässen – er zeigte sie uns von sich aus, quasi als Trophähenpräsentation – entnahmen wir, dass er Europa schon etliche Male durchquert hatte, wenn auch unter ganz anderen Umständen, als wir dies nun tun. Er bestand darauf, uns noch eine weitere Runde Tee einzuschenken. Danach wollte er uns unbedingt noch begleiten. Also. Gemeinsam machten wir eine Einkaufsrunde. Völlig überwältigt von der Gastfreundschaft fuhren wir leichtgängig und von einigen radelnden Knaben umgeben aus dem Städtchen heraus.
In Shakovicë wollten wir eben unser Zelt hinter einem scheinbar geschlossenen Reha-Bad aufstellen, als plötzlich ein Lieferwagen in die Strasse einbiegt. Zwei Männer stiegen aus, begannen von den Mäusen hervorgewühlten Humus einzuladen. Als sie uns erblickten, kam einer auf uns zu. Er bemerkte, dass es nur Touristen sein könnten, welche hier campieren würden – wohlverstanden in bestem Deutsch. Einige Wortwechsel später waren wir von Toni eingeladen, doch bei seinen Eltern (Fadil und Zejnije) in der Nähe übernachten zu kommen. Eingeladen – Mitgegangen. Wir wurden von der Familie herzlich empfangen, es wurde uns Tee serviert und wenig später der beste kosovarische Eintopf vorgesetzt, den wir je assen. Dass es uns schmeckte, war Zejnije sofort aufgefallen, da brauchte es keiner Übersetzung von Toni. Doch fürs übrige Gespräch waren wir sehr froh, hatten wir in ihm einen wortgewandten Dolmetscher. Am nächsten Morgen ging der kulinarische Höhenflug weiter und wir erhielten zum Kaffee frischgemachte Kropfne serviert. Wir staunten, wie wohl es uns doch in so kurzer Zeit irgendwo bei gestern noch wildfremden Leuten sein kann. Tausend Dank Fadil, Zejnije und Toni!
In Prishtinë durften wir bei Besnik, dem ehemaligen Mitlehrling und Freund von David für zwei Nächte logieren. Merci vielmal lieber Besnik! Von unserem Logis aus konnten wir die Hauptstadt bestens erkunden. Wir schlenderten durch die von blühenden Birnbäumen gesäumte Hauptallee, sahen uns die riesigen Eisenbuchstaben Newborn an und überblickten die Stadt auf einen Tipp von der Strasse weg vom Turm der Mutter Theresa Kathedrahle aus. Unbeschreiblich! Aus der Höhe bestätigte sich das bereits gewonnene Gefühl, dass sich hier so viel in Bewegung, im Wandel, im Aufbau befindet. Überall spriessen neue Häuser und Siedlungen zum Boden heraus, hat es kleine Buden, in welchen gearbeitet wird. Gleichzeitig sprechen die Zahlen der nach wie vor stetig abwandernden Kosovaren ihre eigenen Worte. Mit Gzim verbrachten wir beinahe einen Tag in der Stadt, während er auf den Bescheid seines Arbeitsvisumantrages für die Schweiz wartete. Auch er bemerkte, vieles sei gut im Land und könnte sich gut entwickeln, doch die Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt und die Löhne wären ein anderes Thema.
Von Prishtinë aus machten wir auf Empfehlung von Besnik hin einen Tagesausflug nach Prizren. Die Stadt am Rande des “Malet e Sharrit”-Nationalparks und nahe den Grenzbergzügen zu Mazedonien hat ihren ganz eigenen Charme, der uns begeisterte. Nicht zuletzt dank der Privat-Stadtführung, inklusive Einladung zum Mittagessen (Flia) und zum anschliessenden Tee, sondern auch der geschäftigen Stadt mit vielen kleinen Handwerksbetrieben selber wegen, würden wir jedem empfehlen, einen Abstecher in den Südwesten von Kosovo zu unternehmen. Von der Festung aus war der Anblick der Stadt am Fluss Bistrica und der Weitblick in die umliegenden Berge grandios. Übrigens: In Prizren steht eine orthodoxe Kathedrahle, eine katholische Kirche und eine Moschee innerhalb eines Umkreises von ungefähr 300m Durchmesser. Auf der Rückfahrt konnten wir dösend und strickend all die positiven Eindrücke noch einmal revue passieren lassen. Fazit: Der Kosovo, so wie wir ihn erlebt haben, ist einmalig.
Über Ferizaj, wo wir einmal übernachteten, gelangten wir Kacanik passierend und im spriessenden Tal des Lepenci an die Grenze zu Mazedonien. Das helle Grün der dichtbewachsenen kosovarischen Talflanken ging in einen dunkleren Farbton über, die Bewaldung lichtete sich und mit jedem zusätzlichen Meter talabwärts weitete sich dieses. Schliesslich wurde das Tal zu einer Ebene, in der Ferne umgeben von lose bewaldeten Hügeln und dahinter einigen weissen Gipfeln; wir erreichten Skopje. Übernachten konnten wir im – von ein paar weltoffenen jungen Leuten betriebenen – Unity-Hostel. Ein kleines, aber feines Hostel mitten im Zentrum, verziehrt und gespickt mit lauter weisen Sprüchen, guten Gedanken, kreativen Dingen. Empfehlenswert!
In Form einer Kreuz- und Querfahrt vor der Weiterfahrt schnupperten wir etwas Skopje-Luft. Neben dem Feilschen, Handeln und Leben auf dem Basar fiel uns auch die Bauerei an den unzähligen Statuen, Denkmälern und Monumenten auf.
Als wir uns in Katlanovo vergebens nach dem Camping-Platz auf unserer Reisekarte umgefragt hatten, durften wir einmal mehr erleben, was Gastfreundschaft bedeutet. Beitula lud uns ab der Strasse weg zu seiner Familie nach Hause ein. Für die Fahrräder wurde kurzerhand der Geräteschuppen geräumt und sogar herausgewischt. Wir erlebten einen Abend unter dem Dach eines 4-Generationen-Hauses, teilten Freud und Leid der Familie, wurden verwöhnt mit CH-Fernsehsender, Kartoffelstock, Pouletschenkeln, eingelegter Gurke und scharfer Paprikaschote begleitet vom frischesten und besten Pita-Brot frisch aus dem Ofen – vielen freudigen Blicken und herzlichen Lächeln. Es wurden Stunden mit viel Austausch über unsere beiden Länder, Berge, Bäder, übers Zusammenleben und über Europa verstreut, Flucht und Geborgenheit, Arbeiten und Ferien. Als Krönung – nach der Fütterung des Pferdes im Stall – durften wir im Schlafzimmer ins Bett kriechen, während alle anderen im Wohnzimmer in einer Reihe am Boden schliefen, wohlverstanden, um uns im Schlafzimmer gebührend Platz zu bieten.
Bestens ausgeruht wurde uns morgens dann schon wieder frisches Brot gebacken und dazu Frischkäse sowie gebratene Wursträdchen serviert. Energiebombe, lecker! All der Gastfreundschaft und immensen Herzlichkeit konnte ich ausser einem aufrichtigen Dankeschön diesmal sogar noch eine kleine Anpassung der elektrischen Installation des Boilerschalters entgegen bringen. Merci vielmal!
Obwohl wir die Route durch Mazedonien nach den Plananpassungen in Serbien möglichst höhenoptimiert gestalteten, hatten wir vorerst noch einige Höhenmeter zu überwinden, ehe sich in Richtung Novacani wieder eine weitläufige Aussicht über blühende Obstbäume und im Wind wankende Kornfelder bot. Am Stausee nach Novacani genossen wir, unterhalten von einer Entenfamilie, unser Picknick.
Nach einer Nacht im Zelt auf einer Schafweide vor Shtip gings, eskortiert von Freund “Chutterli” südöstlich Strumica entgegen. Wir durchpedalten ein weites, fruchtbares Tal. Dieses war voll von frisch bestellten Feldern und durchsetzt mit Pappeln, Obst-, Nuss- und Mandelbäumen. Beim Einkauf in einem der kleinen Dorflädeli bestand der Fahrer des davor geparkten Eselsfuhrwerk darauf, dass wir ihn ablichten sollen. Dies tat ich dann auch – liess ihn sogar noch wenden, damit er im richtigen (Sonnen-)licht erschien.
Nach Strumica, einem weiteren Bergpreis und einem erneuten Landschaftswechsel – es wurde noch mediterraner – fuhren wir auf einer neu markiert riechenden Strasse entlang von Rebfeldern an den Dojran-See. Picknickend konnten wir Kormorane, Pelikane und eine Schlange beobachten, die den See ihren Lebensmittelpunkt nennen können. Nachdem wir den kleiner geglaubten Rest des Mazedonischen Dinars in Grundnahrungsmittel, Früchte und Schleckereien umgewandelt hatten, passierten wir ohne grosse Gefühle und dennoch irgendwie zufrieden die Grenze zu Griechenland.
Wir verbrachten zwei Nächte im historisch sehr interessanten Niš, konnten die Batterien wieder etwas laden und den weiteren Streckenverlauf noch etwas feiner “z Fade schlah”. Wir verliessen Niš in Richtung Prokuplje, passierten dieses und wollten auf halber Höhe zu Kuršumlija irgendwo das Zelt stellen. Auf einem Feldweg kam uns ein Mann auf einem Tomos-Töffli entgegen, fuhr vorbei. Wenig später aber wendete er und folgte uns, holte uns ein. Er fragte in Englisch, wo wir hin wollten und was wir um diese Zeit – es war schon gegen 19:00Uhr – hier draussen noch machten. Unserer guten Erfahrungen mit Ehrlichsein folgend, sagten wir ihm, wir seinen auf der Suche nach einem Platz für unser Zelt. Er reagierte nicht sonderlich erfreut darüber und meinte, es sei eine nicht sehr sichere Gegend zum Zelten, riet uns noch etwas weiter zu fahren. Er gab uns vor unserer Weiterfahrt noch seine Handynummer – nur für den Fall, und er sei Polizist. Oha-Lätz! Da waren wir ja an den Richtigen geraten. Er liess uns gewähren.
Nach ca. 5km Weiterfahrt ohne dass wir ein anständiges Plätzchen gefunden hätten und nach der Diskussion, ob wir ihn nicht einfach hätten fragen sollen für eine Nacht in seinem Garten, liess sich das Knattern eines Töfflimotoren erneut vernehmen. Goran folgte uns ein zweites Mal. Wir wechselten ein paar Worte hin und her, ehe Flurina ihn fragte, ob wir unser Zelt bei ihm zuhause stellen dürften. Telefon nach Hause; Vater und Ehefrau wurden gefragt. Er nahm uns mit.
In Mala Plana führte er uns zu seinem Heim. Was wir an diesem Abend erlebten, berührte uns zutiefst. Wir erlebten einen Mann, Mitte Dreissig, der ein riesiges Herz und noch mehr Charakter zeigte, dass er uns mit nach Hause nahm, beherberte. Unser aufrichtigster Dank lieber Goran! Du bist ein wirklich grossartiger Mensch!
In der Früh, gleichzeitig mit Goran, brachen wir auf in Richtung Djavolja Varoš auf. Erstmals seit langem hatten wir wieder einmal Regen. Dieser brach ungefähr zur Mittagszeit herein, worauf wir beschlossen Regenschutz in einem Bushaltestelle-Häuschen zu suchen . Dem Tropfenkonzert des Blechdachs lauschend, genossen wir das Picknick im Trockenen. Gut eingepackt folgten wir der E-80 bei anhaltendem Regen. Es wurde zunehmend kälter. Das Tagesziel “Teufelsstadt” schien bei diesem Hudelwetter und einem “gäien” Anstieg ferner denn je. Da half nur eine Stärkung aus dem Proviantbeutel von Mueti Susanne. Die flachsten Biberli, welche wir je gegessen hatten, waren zugleich die wundervollsten. Wir erreichten Djavolja Varoš, konnten zum Glück im Schermen übernachten. Am nächsten Morgen besichtigten wir in aller Frühe die speziellen Felsgebilde und waren schon wieder auf dem Weiterweg als sich die grosse Masse von Tagestouristen in Reisecars die schmale Strasse hinauf begab.
Auf der sich leicht aufwärts schlängelnden Strasse zum Grenzübergang überholten uns unzählige Autos mit Schweizer Nummernschilder. So über den Daumen gepeilt müssten es sicher die Hälfte aller Wagen, wenn nicht sogar zwei Drittel gewesen sein.
Die Serbischen Grenzbeamten liessen uns ohne Weiteres passieren, während der kosovarische Grenzbeamte uns für einen kurzen Moment das Herz etwas “wandern” liess. Nachdem er nämlich den Reisepass erhalten und flüchtig durchgesehen hatte, verlangte er “Documents” und zeigte auf die Fahrräder. Was “Documents”? Das sind Fahrräder, versuchte ich ihm klarzumachen. Die hätten ja keinen Motoren und bräuchten demnach auch keine Papiere; ausserdem sei der Motor dieser Vehikel ja da und zeigte auf meine Oberschenkel. Seinem breiten Grinsen entnahm ich, dass er sich nur einen kleinen Scherz erlaubt hatte und so gelang es uns – nachdem das Herz wieder aus den Velohosen raufgekrochen war – auch mitzulachen. Ohne Probleme gabs den Stempel in den Pass und begleitet von guten Wünschen für die Weiterreise rollten wir in das noch junge Land ein.
Eine wunderbare Aussicht über weite, saftige Wiesen auf die dahinterliegenden Berge bot sich uns und brachte einige Gedanken an unsere Heimat hervor.
Unter vielen wachen Augenpaaren und begleitet von frohen Zurufen bogen wir nach Podujevë ein, wo wir uns erstmals wieder mit Euros eindecken wollten. Der erstgefundene Bankomat spuckte zwar kein Geld aus, war aber urplötzlich Treffpunkt des Quartiers und bot die Chance, mit zwei Fernradlern das Gespräch zu suchen. Die Sprache – Deutsch. So wurden wir vom 4. Dazugestossenen bereits zum ersten Mal auf einen Kaffee eingeladen. Diesen hatten wir kaum ausgetrunken, kam ein weiterer Mann deutsch sprechend auf uns zu. Bestimmt seien wir müde und würden doch sicher so ein-/zwei Stündchen ausspannen wollen. Eigentlich überhaupt nicht müde, konnten wir nicht anders, als ihm in seine Wohnung auf 2 Runden Tee und eine Unmenge von Waffel-Kekse folgen. Wir unterhielten uns prächtig mit ihm. Seinen Reisepässen – er zeigte sie uns von sich aus, quasi als Trophähenpräsentation – entnahmen wir, dass er Europa schon etliche Male durchquert hatte, wenn auch unter ganz anderen Umständen, als wir dies nun tun. Er bestand darauf, uns noch eine weitere Runde Tee einzuschenken. Danach wollte er uns unbedingt noch begleiten. Also. Gemeinsam machten wir eine Einkaufsrunde. Völlig überwältigt von der Gastfreundschaft fuhren wir leichtgängig und von einigen radelnden Knaben umgeben aus dem Städtchen heraus.
In Shakovicë wollten wir eben unser Zelt hinter einem scheinbar geschlossenen Reha-Bad aufstellen, als plötzlich ein Lieferwagen in die Strasse einbiegt. Zwei Männer stiegen aus, begannen von den Mäusen hervorgewühlten Humus einzuladen. Als sie uns erblickten, kam einer auf uns zu. Er bemerkte, dass es nur Touristen sein könnten, welche hier campieren würden – wohlverstanden in bestem Deutsch. Einige Wortwechsel später waren wir von Toni eingeladen, doch bei seinen Eltern (Fadil und Zejnije) in der Nähe übernachten zu kommen. Eingeladen – Mitgegangen. Wir wurden von der Familie herzlich empfangen, es wurde uns Tee serviert und wenig später der beste kosovarische Eintopf vorgesetzt, den wir je assen. Dass es uns schmeckte, war Zejnije sofort aufgefallen, da brauchte es keiner Übersetzung von Toni. Doch fürs übrige Gespräch waren wir sehr froh, hatten wir in ihm einen wortgewandten Dolmetscher. Am nächsten Morgen ging der kulinarische Höhenflug weiter und wir erhielten zum Kaffee frischgemachte Kropfne serviert. Wir staunten, wie wohl es uns doch in so kurzer Zeit irgendwo bei gestern noch wildfremden Leuten sein kann. Tausend Dank Fadil, Zejnije und Toni!
In Prishtinë durften wir bei Besnik, dem ehemaligen Mitlehrling und Freund von David für zwei Nächte logieren. Merci vielmal lieber Besnik! Von unserem Logis aus konnten wir die Hauptstadt bestens erkunden. Wir schlenderten durch die von blühenden Birnbäumen gesäumte Hauptallee, sahen uns die riesigen Eisenbuchstaben Newborn an und überblickten die Stadt auf einen Tipp von der Strasse weg vom Turm der Mutter Theresa Kathedrahle aus. Unbeschreiblich! Aus der Höhe bestätigte sich das bereits gewonnene Gefühl, dass sich hier so viel in Bewegung, im Wandel, im Aufbau befindet. Überall spriessen neue Häuser und Siedlungen zum Boden heraus, hat es kleine Buden, in welchen gearbeitet wird. Gleichzeitig sprechen die Zahlen der nach wie vor stetig abwandernden Kosovaren ihre eigenen Worte. Mit Gzim verbrachten wir beinahe einen Tag in der Stadt, während er auf den Bescheid seines Arbeitsvisumantrages für die Schweiz wartete. Auch er bemerkte, vieles sei gut im Land und könnte sich gut entwickeln, doch die Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt und die Löhne wären ein anderes Thema.
Von Prishtinë aus machten wir auf Empfehlung von Besnik hin einen Tagesausflug nach Prizren. Die Stadt am Rande des “Malet e Sharrit”-Nationalparks und nahe den Grenzbergzügen zu Mazedonien hat ihren ganz eigenen Charme, der uns begeisterte. Nicht zuletzt dank der Privat-Stadtführung, inklusive Einladung zum Mittagessen (Flia) und zum anschliessenden Tee, sondern auch der geschäftigen Stadt mit vielen kleinen Handwerksbetrieben selber wegen, würden wir jedem empfehlen, einen Abstecher in den Südwesten von Kosovo zu unternehmen. Von der Festung aus war der Anblick der Stadt am Fluss Bistrica und der Weitblick in die umliegenden Berge grandios. Übrigens: In Prizren steht eine orthodoxe Kathedrahle, eine katholische Kirche und eine Moschee innerhalb eines Umkreises von ungefähr 300m Durchmesser. Auf der Rückfahrt konnten wir dösend und strickend all die positiven Eindrücke noch einmal revue passieren lassen. Fazit: Der Kosovo, so wie wir ihn erlebt haben, ist einmalig.
Über Ferizaj, wo wir einmal übernachteten, gelangten wir Kacanik passierend und im spriessenden Tal des Lepenci an die Grenze zu Mazedonien. Das helle Grün der dichtbewachsenen kosovarischen Talflanken ging in einen dunkleren Farbton über, die Bewaldung lichtete sich und mit jedem zusätzlichen Meter talabwärts weitete sich dieses. Schliesslich wurde das Tal zu einer Ebene, in der Ferne umgeben von lose bewaldeten Hügeln und dahinter einigen weissen Gipfeln; wir erreichten Skopje. Übernachten konnten wir im – von ein paar weltoffenen jungen Leuten betriebenen – Unity-Hostel. Ein kleines, aber feines Hostel mitten im Zentrum, verziehrt und gespickt mit lauter weisen Sprüchen, guten Gedanken, kreativen Dingen. Empfehlenswert!
In Form einer Kreuz- und Querfahrt vor der Weiterfahrt schnupperten wir etwas Skopje-Luft. Neben dem Feilschen, Handeln und Leben auf dem Basar fiel uns auch die Bauerei an den unzähligen Statuen, Denkmälern und Monumenten auf.
Als wir uns in Katlanovo vergebens nach dem Camping-Platz auf unserer Reisekarte umgefragt hatten, durften wir einmal mehr erleben, was Gastfreundschaft bedeutet. Beitula lud uns ab der Strasse weg zu seiner Familie nach Hause ein. Für die Fahrräder wurde kurzerhand der Geräteschuppen geräumt und sogar herausgewischt. Wir erlebten einen Abend unter dem Dach eines 4-Generationen-Hauses, teilten Freud und Leid der Familie, wurden verwöhnt mit CH-Fernsehsender, Kartoffelstock, Pouletschenkeln, eingelegter Gurke und scharfer Paprikaschote begleitet vom frischesten und besten Pita-Brot frisch aus dem Ofen – vielen freudigen Blicken und herzlichen Lächeln. Es wurden Stunden mit viel Austausch über unsere beiden Länder, Berge, Bäder, übers Zusammenleben und über Europa verstreut, Flucht und Geborgenheit, Arbeiten und Ferien. Als Krönung – nach der Fütterung des Pferdes im Stall – durften wir im Schlafzimmer ins Bett kriechen, während alle anderen im Wohnzimmer in einer Reihe am Boden schliefen, wohlverstanden, um uns im Schlafzimmer gebührend Platz zu bieten.
Bestens ausgeruht wurde uns morgens dann schon wieder frisches Brot gebacken und dazu Frischkäse sowie gebratene Wursträdchen serviert. Energiebombe, lecker! All der Gastfreundschaft und immensen Herzlichkeit konnte ich ausser einem aufrichtigen Dankeschön diesmal sogar noch eine kleine Anpassung der elektrischen Installation des Boilerschalters entgegen bringen. Merci vielmal!
Obwohl wir die Route durch Mazedonien nach den Plananpassungen in Serbien möglichst höhenoptimiert gestalteten, hatten wir vorerst noch einige Höhenmeter zu überwinden, ehe sich in Richtung Novacani wieder eine weitläufige Aussicht über blühende Obstbäume und im Wind wankende Kornfelder bot. Am Stausee nach Novacani genossen wir, unterhalten von einer Entenfamilie, unser Picknick.
Nach einer Nacht im Zelt auf einer Schafweide vor Shtip gings, eskortiert von Freund “Chutterli” südöstlich Strumica entgegen. Wir durchpedalten ein weites, fruchtbares Tal. Dieses war voll von frisch bestellten Feldern und durchsetzt mit Pappeln, Obst-, Nuss- und Mandelbäumen. Beim Einkauf in einem der kleinen Dorflädeli bestand der Fahrer des davor geparkten Eselsfuhrwerk darauf, dass wir ihn ablichten sollen. Dies tat ich dann auch – liess ihn sogar noch wenden, damit er im richtigen (Sonnen-)licht erschien.
Nach Strumica, einem weiteren Bergpreis und einem erneuten Landschaftswechsel – es wurde noch mediterraner – fuhren wir auf einer neu markiert riechenden Strasse entlang von Rebfeldern an den Dojran-See. Picknickend konnten wir Kormorane, Pelikane und eine Schlange beobachten, die den See ihren Lebensmittelpunkt nennen können. Nachdem wir den kleiner geglaubten Rest des Mazedonischen Dinars in Grundnahrungsmittel, Früchte und Schleckereien umgewandelt hatten, passierten wir ohne grosse Gefühle und dennoch irgendwie zufrieden die Grenze zu Griechenland.