Am nächsten Tag gelangen wir an den Fluss Vakhsh, welchem wir nun bis zu DER Kreuzung folgen werden. Es geht munter rauf und auch wieder runter, hie und da gibt es bereits Strassenabschnitte welche zu Hause bloss noch den Namen Schotterpiste verdient hätten. Uns störts nicht – wir gondeln in unserem Tempo durch das Tal. Es ist wie Blättern in einem Bilderbuch... Hinter jedem Hügel, öffnet sich eine neue interessante Seite. Mal wird das Tal schon richtig eng und wir können rechterhand in kleine Schluchten hinunter sehen, dann wird es wieder weit und landwirtschaftliche Flächen prägen das Bild rund um die Dörfer. Grossen Eindruck macht uns die immense Baustelle – einmal mehr ein Stausee – nach ObiGarm. Nach einigen Kräftezehrenden Aufstiegen “landen” wir schliesslich in Komsomolabad, wo wir in einem Mini-Beizli auf einer der zwei traditionellen Pritschen (dienen zugleich als Tisch, Sofa und Bett) übernachten dürfen.
Anderntags erreichen wir endlich DIE Kreuzung. Ab jetzt fahren wir offiziell auf dem Pamir Highway! Und dieser empfängt uns mit – Sozialpädagogen würden sagen kreativen – Strassenzuständen, reizvollen Schluchten und Bächen, zu deren Überquerung wir die Schuhe ausziehen und die Räder schieben müssen. Abends finden wir ein wunderbares Plätzli am Bach. David bereitet ein Menu nach allen Regeln der Campingküchenkunst zu, wir machen ein Feuer und essen ein Stück der aus der Schweiz und von Mueti Susanne eingepackten Lindt-Schokolade. Ein richtig schönes Geburtstagsfest im kleinen Rahmen!
Bis zum Checkpoint, von welchem man/frau nur mit offizieller Genehmigung weiterreisen darf – unsere “Pamir-Permits” wurden nicht mal mit nem halben Auge angeschaut... - dauert es abermals ein ganzer durchgeschüttelter Tag. Ob wir von dieser Strecke wohl ein Schütteltrauma davontragen werden...? Oder ob wir uns – frei nach Flurina – nach unserer Rückkehr sowohl für die down- als auch up-hill Meisterschaften anmelden sollen...? Wir suchen nicht lange nach Antworten und saugen stattdessen all die landschaftlichen Schönheiten des weiten Tales in uns auf. Nicht mal der Riss in Flurinas Sattelstütze bringt uns aus der Ruhe. Busch-, resp. Bergdoktor David nimmt eine Notoperation vor und wir können “süüferli” weiterpedalen (hält übrigens immer noch!).
Unsere Wasserflaschen können wir an den “Brunnen” (Metallrohr, das an einem x-beliebigen Ort aus dem Boden schiesst) in den Dörfern auffüllen. Wir werden von freudigen und neugierigen Kindern begrüsst und umringt. Hie und da stossen auch die Müttern hinzu oder beobachten zumindest aus dem Türrahmen. Bereits hier kommen wir zum Schlusss, dass wir – könnten wir die Reise nochmals planen - unbedingt etwas Russisch hätten lernen sollen. Denn viel mehr als auf die Frage “OTKЎдA?” (woher?) mit “ШBEЙЦAPИЯ.” (Schweiz) antworten, schaffen wir leider nicht. Auch wenn wir uns zunehmend versiert mit Händen und Füssen verständigen können und die Kinder oftmals geduldige Lehrer darin sind, uns einzelne neue Wörter beizubringen.
Die ersten Kilometer des Aufstiegs zum Khaburabat-Pass sind nicht gerade vielversprechend was die Fahrbahn anbelangt... Zum Glück bringt uns ein ganzer Strom von Gegenverkehr – eine Familie die mit Tieren und Hausrat zu Tale kehrt – auf andere Gedanken. An forderster Front die bepackten Esel, die Jungtiere trippeln munter hinterher, dann – wie könnts auch anders sein – die vorwitzigen Ziegen, gefolgt von den Schafen. Das Trippeln der Tausenden von Hufen klingt wie Musik in meinen Ohren und vermittelt mir eine unglaubliche Ruhe. Den Schluss bilden die Pferde. Eines davon wird mir noch lange in Erinnerung bleiben. Auf dessen Rücken sass ein kleiner Junge – höchstens 5Jahre alt – halb verschlafen noch und in einer unbeschreiblichen Selbstverständlichkeit, dass der Touristenfrau fast der Mund offen stehen bleibt... Immer wieder Herden. Wo immer wir auch hin- und durchradeln. Ich bin fasziniert und könnte auch nach dieser langen Zeit immer noch unzählige Fotos schiessen. Und trotzdem ist es mir bisher nicht gelungen wirklich diese ganze, besondere, Atmosphäre einzufangen...
Nach der Schlucht und dem ersten wirklich steilen Teil windet sich die Strasse dann in angenehmer Steigung und Serpentinen geduldig die 1500 Meter in die Höhe. … um den letzten “Rank” und dann können wir die Passhöhe sehen! Wow, so hoch waren wir noch nie mit den Fahrrädern! Oben warten Bart und Monika aus Polen auf uns. Sie haben uns während des Tages überholt und empfangen uns nun. Wir beschliessen alle vier hier oben unsere Zelte aufzuschlagen und den Abend gemeinsam zu verbringen. Auf einem Kocher broselt eine Sauce, auf dem anderen das Getreide. Fürs Essen finden wir uns alle in unsererVilla ein und geniessen einen Schwatz “a dr Hiubi” - draussen sinkt das Thermometer gegen den Gefrierpunkt.
Morgens nehmen wir dann warm eingepackt die laaange Abfahrt nach Kaleikum unter die Räder. Die Abfahrt ist anspruchsvoll. Die Strasse eher schwierig zu befahren und das Gefälle derartig, dass uns ab all dem Bremsen mehrfach die Hände “einschlafen” und wir anhalten müssen um ihnen wieder Gefühl einzuhauchen. Aber auch hier werden wir bereits während der Fahrt für die Strapazen belohnt – die Aussicht hinunter ins Tal ist spektakulär! Und im untern Teil plätschert ein frohes Bächlein und würde bei etwas wärmeren Temperaturen glatt zum Bade einladen.
Schliesslich kommen wir in Kaleikum an, ein Dorf dass sich ganz in die Talenge des Grenzflusses Panj schmiegt. Am anderen Ufer liegt Afghanistan. Das ist für uns im ersten Moment irgendwie noch total unglaublich... Wir sehen Kinder, die Fussball spielen, Männer, die mit Eseln auf dem Feld arbeiten und Frauen in wehenden Tschadors... Ein unglaublich friedliches Bild.